Lifestyle in den 30er Jahren
„Ledigenwohnungen“ waren eine neue Bauaufgabe des 20. Jahrhunderts. So widmete die Zeitschrift Profil eine ganze Ausgabe dem Thema „Junggeselle“. Beiträge wie „Der Junggeselle als Stilnorm“, „Der Junggeselle in den Tropen“ oder „Der Junggeselle auf der Bühne“ beschäftigten sich mit allen Aspekten des Single-Daseins. Im Beitrag „Der Junggeselle und sein Heim“ wurde betont, wie sehr technischer Fortschritt zur Emanzipation des Junggesellen beitrug. War er früher in seiner Garconniere aufgrund der umständlich zu bedienenden Kohlenherde der Wirtschafterin ausgeliefert, so garantierte der Elektrokocher beispielsweise Unabhängigkeit; denn: „Mit einigen Hebeln, Hähnen und Schaltern weiß er – der Junggeselle – das vielköpfige, einst so gefürchtete Ungeheuer ‚Hauswirtschaft’ allein und sicher zu meistern.“
Obwohl die Mieten sehr teuer waren, meldete die Presse am 17. November 1932, dass von den 224 Wohnungen bereits 80 Prozent vermietet waren. Alle Junggesellenwohnungen waren unmittelbar nach Ausführung der Baupläne vergeben. Die Preise lagen zwischen 65 Schilling (Zimmer, Bad, Vorraum) bis 170 Schilling (2 Zimmer, Bad, Vorraum). Die Großwohnungen kosteten 350 Schilling, die Nachfrage an letzteren war gering.
Die traditionellen Rollenzuweisungen an Mann und Frau manifestierten sich teilweise noch in den Interieurs des „modernen“ Hochhauses, so auch in der Wohnung des HNO-Arztes Dr. Waldapfel: Funktionalität kennzeichnete das Zimmer des Hausherrn. Bücherregale dienten nicht nur als Wandschmuck, sondern verwiesen auf seinen kulturellen Background. Bei den Lampen wurde auf Schirme verzichtet. Der Biedermeierkonsoltisch wird in diesem Zusammenhang zum Zeugen der Familiengeschichte. Hingegen bot der Schlafraum der Dame eine gemütliche – „weichere“ – Atmosphäre, bedingt durch den reichen Einsatz von Textilien. Das mit Kalbsfell bespannte Bett, der hochflorige Teppich und die Maserung der Wand aus Rosenholz ordneten den Bereich eindeutig der Natur zu. Im Gegensatz zum Zimmer des Herrn wurde die Lichtquelle mittels Lampenschirm abgedunkelt.
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